Was uns bewegt, lässt uns nicht kalt; Bewegung erzeugt ja schließlich Wärme. Was uns bewegt, kann uns erhitzen, uns zum Kochen bringen und im schlimmsten Fall dazu führen, Beziehungen abkühlen zu lassen oder gar jemanden kalt zu machen.
Was uns bewegt, spielt sich zumeist auf der zwischenmenschlichen Ebene ab. Sicher bewegt manch einen auch die Frage nach dem “unbewegten Beweger”, das wäre dann wohl die nächste Ebene nach der zwischenmenschlichen, die spirituelle, philosophische: Aristoteles hat im 4. Jahrhundert vor Christus in seinen metaphysischen Überlegungen die Welt in drei Kategorien eingeteilt: Das, was sinnlich wahrnehmbar, aber vergänglich ist; das, was sinnlich wahrnehmbar und ewig ist und schließlich das, was sinnlich nicht wahrnehmbar, unveränderlich und ewig ist. Dieses Ewige ist gleichzusetzen mit Gott, dem unbewegten Beweger: unvergänglich, nur das beste, d.h. sich selbst denkend (sic!), und in seiner eigenen Bewegungslosigkeit alles ihn Umgebende bewegend.
Zurück zu uns sinnlich wahrnehmbaren, aber vergänglichen Geschöpfen. Meine Freundin Antje und mich beschäftigen nun schon seit einer Weile die kleinen Adams und Evas da draußen, denen der Apfel einfach nicht schmecken will. Oder besser: Warum sind wir so oft nicht in der Lage, einen Schritt von unserer eigenen Involviertheit zurückzutreten und auch die Perspektive des Gegenübers mit einzubeziehen (oder unsere Umgebung, das Paradies)? Warum sind wir manchmal so schlecht im Kommunizieren? Und warum hängen wir unser Herz an Menschen, die uns nicht gut-, sondern wehtun?
Ich wünschte, es wären nicht nur rhetorische Fragen. Tatsächliche Fragen beantworten übrigens gerade die “Meilensteine” aus Jena bei Facebook und Instagram (#deinemeilensteine) in ihrer Rubrik “Kunst im Schlafrock”. Jeden Tag im Februar kann man unter deren Beiträgen kommentieren und alles erfragen, was einem schon immer auf der Seele brannte oder aber selbst Antworten in Form von Lebensweisheiten liefern. Der beste Kommentar des Tages wird künstlerisch umgesetzt mit einer Illustration und einem kurzen Text. Und tatsächlich wurde meine Weisheit heute ausgewählt (#kis6):
Verletzte Menschen verletzen Menschen.
Meine Schwester und ich haben diesen klugen Satz einmal in einem Film gehört – seitdem wurde uns Vieles klarer. Die Frage ist nur: Sind wir Agens oder Patiens? Opfer oder Täter? Schwarze oder weiße Schafe? Ich tippe auf ein großes “Sowohlalsauch”, eine graue Herde von Wölfen im Schafspelz, wenngleich ich mir wünschte, selbst eine lupenreine Weste zu haben. Denn der Satz ist ja sozusagen ein Perpetuum mobile: Wenn verletzte Menschen Menschen verletzen, sind diese Menschen verletzt und verletzen wiederum Menschen, die Menschen verletzen, weil sie verletzt wurden und so weiter und so weiter.
Schade ist eben nur, dass man selbst zwar Erklärungen und Deutungsmuster für sein eigenes und das Verhalten seiner Mitmenschen finden kann, dass man versucht, sich einzufühlen und zu verstehen – und dabei selbst oft unverstanden bleibt. Wiederum schade ist auch die total plausible Erklärung für Verletzungshandlungen von Meilensteine, nämlich dass man sich erst dann seinen eigenen Wunden widmet, wenn man den anderen seinen eigenen Schmerz hat fühlen lassen.
Was wir daraus lernen:
Wir wollen uns nicht schlagen. Wir wollen uns küssen.
Ich danke Meilensteine für die hervorragende und tiefgründige Umsetzung und den Print zur sechsten Kunst im Schlafrock!
Dozentin und Schreibtrainerin in Berlin
Wissenschaftliches und kreatives Schreiben, (Hochschul-)Didaktik
Deutsch als Fremdsprache