Diese Woche fand das University Future Festival statt, veranstaltet vom Hochschulforum Digitalisierung und der Stiftung Innovation in der Hochschullehre. Ich hatte mich im Mai dazu angemeldet, war neugierig auf den vielversprechenden Titel in toller Aufmachung. Und tatsächlich war der Name Programm. Die Buzzwords “Future”, “Veränderung”, “Future Skills” und “Künstliche Intelligenz” kamen in fast jedem Titel des prall gefüllten Programms vor – vor Ort, hybrid und online. Über mögliche Zukünfte in der Welt wie auch in der Hochschulbildung an Universitäten wurde beim University Future Festival ausführlichst und aus verschiedenen Perspektiven diskutiert.
Ich war am Mittwoch und Donnerstag live in Berlin im Festsaal Kreuzberg dabei und habe jeden Tag zwischen 5-6 Vorträgen oder Workshops gelauscht. Das war schon fast tagesfüllend, doch insgesamt gab es mehr als 300 Sessions und Workshops in Berlin, Leipzig, Nürnberg, Bochum und Heilbronn und das mit über 600 Speaker*innen.
Gleich vor dem ersten Vortrag am Mittwoch habe ich im Publikum eine Kollegin getroffen, die ich vor etwa einem Jahr beim Netzwerktreffen aller Sprachenzentren in Berlin und Brandenburg an der Humboldt-Universität kennengelernt hatte. Wir hatten in diesem Rahmen auch gemeinsam einen Workshop zum Thema “KI und DaF” gestaltet. Nach einer kurzen Begrüßung hörten wir gespannt den ersten Vortrag mit dem Titel “Wie kommt KI in die Hochschullehre? Akteur:innen und Strategien” zu, in dem Louise Schubotz eine aktuell laufende Lehrenden-Befragung vorstellte.
Und hier kommen meine 3 Erkenntnisperlen des ersten Tages beim University Future Festival in Berlin:
1. Es braucht weiterhin dringend Fortbildungsangebote zu KI-Anwendungen, KI-basierten Kompetenzen, der Reflexion von KI-Nutzung, Didaktik und KI – sowohl für Lehrende als auch für Studierende. Das haben die Vortragenden auch durch (wenn auch noch vorläufige) aktuelle Zahlen ihrer Lehrenden-Befragung an der Humboldt-Universität belegt. Weiterhin interessant bleibt das Spannungsverhältnis zwischen der Autonomie der Lehrenden bei der Gestaltung ihrer Lehr-Lern-Kontexte bei gleichzeitigem Wunsch nach Bereitstellung von Infrastruktur und Policies seitens der Universitäts-Leitung. Das nehme ich so auch in meinen Workshops mit Lehrenden wahr.
2. Hochschulentwicklung und Verkehrsnachrichten haben tatsächlich viel gemeinsam. Die Metaphern von Bildungs- und Wissenschaftsjournalist Armin Himmelrath sind gut gewählt und bleiben im Kopf. Das System Hochschule ist überlastet. Wie kann man mit entstehendem Stau umgehen?
Ein schönes Bild ist die Rettungsgasse, d.h. eine alternative Nutzung von bestehendem Raum und Ressourcen. Nachhaltigkeit, Digitalität, Infrastruktur und Partizipation sind die Schlagworte für die Hochschulwende.
3. Die junge Generation hat Angst vor der Zukunft und kann sie nicht mehr imaginieren; junge Menschen sehen schwarz und fühlen sich ohnmächtig, was die Vorstellung, geschweige denn die Mitgestaltung der Zukunft angeht. Von älteren Generationen institutionell vermitteltes Wissen wird als wenig relevant für ungewisse, wenn nicht sogar düstere Zukunftsszenarien angesehen. In #4FutureLabs werden Schüler.innen zunächst in ihrer Erschütterung ernst genommen. Behutsam wird erarbeitet, welche Gestaltungsräume über das Angst-Vakuum hinaus in den nächsten 20 Jahren möglich sind. Erst darüber können individuelle und gesellschaftliche sinnstiftende Zukünfte wieder vorstellbar und damit gestaltbar werden. Frau Prof. Silja Graupe plädiert für eine Metamorphose in der Bildungs- und Förderlandschaft, für ein geschütztes Wachsen von Projekten zur Imagination der Zukunft statt geistiger Monokultur. Sehr inspirierend!
Von Tag 2 beim University:Future Festival nehme ich folgende Lern-Erlebnisse und Aha-Momente mit:
1. Das Urteil von Informatiker.innen zur Frage, ob #ChatGPT schriftlich multiplizieren kann, muss “Nein” lauten. Katharina Zweig hat in ihrem Vortrag gezeigt, welche Arten von Entscheidungen es gibt, wo sich menschliches Urteilsvermögen von maschineller Entscheidungsfindung unterscheidet und warum wir das als Menschen auf den ersten Blick oft nicht sehen können. Das wiederum hat weitreichende Folgen für den Einsatz von KI-Tools in Bildungskontexten, z.B. bei Bewertungen. Den empfohlenen Artikel von Jan Georg Schneider zu Intelligiblen Texturen (über Virtuelles Kompetenzzentrum für Schreiben lehren und lernen mit Künstlicher Intelligenz auffindbar) werde ich bei nächster Gelegenheit lesen.
2. Beim gestrigen Vortrag von Silja Graupe ging es darum, Zukunft imaginieren zu können, damit sie gestaltbar wird. Ähnliches nehme ich auch aus dem Vortrag von Politikökonomin und Transformationsforscherin Maja Göpel mit: Es muss möglich werden, die dominante Lesart zum Zustand der Welt zu hinterfragen, Zukünftiges vorstellbar zu machen und das auch im besten Sinne. #Innovation komme oft aus einer Nische und könne unter bestimmten Bedingungen normalisiert werden. Eine weitere Sentenz aus dem Vortrag: Lösungen von heute sind die Probleme von morgen.
3. Im Workshop “Individuelle Lerneinheiten KI-basiert erstellen” von Dr. Isabella Buck habe ich ein paar neue KI-Tools zum selbstgesteuerten Lernen entdeckt. Besonders praktisch finde ich Wisdomplan.ai das je nach Lernziel und Vorwissen einen individuellen Kursplan auf Basis vorhandenen Lernmaterials aus dem Internet (z.B. Youtube-Videos, MOOCs, Coursera, …) erstellt. Das werde ich zu Hause für das DaF- und Fremdsprachenlernen ausprobieren und mit meinen Studierenden der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) teilen.
4. Mir ist noch kein Medienpädagoge begegnet, der darauf verwiesen hat, dass Lehr-Lern-Kontexte durch digitale Medien nicht besser werden. Prof. Christian Swertz von der Universität Wien meint, es gebe viele Gründe, auf digitale Technologien zu verzichten, was nicht zuletzt mit Dataismus bzw. der “vorherrschenden Datenreligion” sowie der Würde des Menschen zusammenhinge, wie er in seinem unterhaltsamen (und thought-provoking) Vortrag argumentiert hat. Seine Definition von Medienkompetenz 1. als Fähigkeit zur Medienkritik und 2. als Fähigkeit, Medien kreativ zu gestalten und zu verändern, werde ich in der Vorbereitung zukünftiger Workshops (insbesondere zu KI und Didaktik) mit in den Blick nehmen
5. Wie wichtig die ganzheitliche Betrachtung von Lehrenden wie auch von Lernenden sowie die Beziehungsgestaltung zwischen ihnen gerade in Bezug auf Veränderungskompetenz ist, habe ich im Vortrag von Nele Hirsch gehört. Mit Begeisterung und Neugierde zu unterrichten und Lernräume zu gestalten, damit der Funke überspringen kann, ist auch mein Credo.
Dozentin und Schreibtrainerin in Berlin
Wissenschaftliches und kreatives Schreiben, (Hochschul-)Didaktik
Deutsch als Fremdsprache